So lernen unsere Hunde

 „Man kann sich nicht aussuchen, ob man die empirisch nachgewiesenen Prinzipien des Lernens anwendet oder nicht. So wie die Gesetze der Schwerkraft sind auch die Prinzipien des Lernens immer am Werk. Die Frage ist also nicht, ob man die Prinzipien des Lernens anwendet, sondern wie man sie am effektivsten einsetzt.“ (Spreat und Spreat, Learning Principles, 1982)

Im modernen Hundetraining bilden die Erkenntnisse der unterschiedlichen Lernformen und das Wissen über die Funktionsweisen des Gehirns unserer Hunde eine wichtige Grundlage.

Lernen spielt für das Überleben des Organismus und einer Spezies eine sehr wichtige Rolle. Verstehen wir erst einmal, wie Hunde lernen, dann können wir auch bis zu einem gewissen Punkt verstehen, wieso ein Hund eine bestimmte Handlung ausführt.

Das Gehirn ist auf Dauerbetrieb

Das Gehirn des Hundes arbeitet rund um die Uhr, ohne eine Pause. Sogar im Schlaf verarbeiten Hunde gelerntes und erlebtes noch weiter. Somit kann man nie eine „fixe“ Trainingszeit festlegen. Durch eine Verbindung der wahrgenommenen Reize und den für den Hund verbundenen Folgen und Gefühlen, stellen Hunde im Gehirn Verknüpfungen her. Die Folgen und die Gefühle, werden mit dem Reiz assoziiert, den der Hund gerade wahrnimmt. Um Ihnen dies ein bisschen zu verdeutlichen, werde ich es Ihnen anhand eines Beispiels erklären: Nehmen wir an, Sie gehen mit Ihrem Hund gemütlich spazieren. Irgendwann sehen Sie, dass Ihnen eine Person mit einem anderen Hund entgegenkommt. Sie haben Ihren Hund an der Leine und er trägt ein Halsband. Wenn die Ihnen entgegenkommende Person und der Hund nahe genug sind, möchte Ihr Hund den anderen freudig begrüßen und läuft dabei mit voller Wucht in die Leine. Dabei gibt es ihm so einen Ruck am Hals, dass Ihr Hund das als schmerzhaft empfindet. Nun die Problematik…Ihr Hund weiß in diesem Moment nicht, dass der Schmerz dadurch verursacht wurde, dass er in die Leine gelaufen ist, sondern er verknüpft den Schmerz mit dem Anblick des Hundes. Passiert dies regelmäßig, lernt der Hund, unangenehme Gefühle mit dem Anblick eines Artgenossen zu verbinden.

Klassische Konditionierung

Klassische Konditionierung findet ständig in unserem Leben statt und ist manchmal von sehr großer Bedeutung. Es kann grundlegend für alle Arten von Lernen sein, die sich auf lebenswichtiges Verhalten auswirken. In der klassischen Konditionierung wird durch gleichzeitige Präsentation zweier Reize „gelernt“, dass der eine Reiz, den anderen praktisch ankündigt.

 

Wie so oft in der Forschung begann alles mit einem großen Zufall – und diesmal waren es die Schritte eines Laborassistenten. Der russische Mediziner und Physiologe Iwan Pawlow (1846–1936) untersuchte seit langer Zeit den Verdauungsprozess bei Hunden.


Dabei machte er eine überraschende Entdeckung: Der Verdauungsprozess seines Versuchstiers begann nicht erst, wenn es sein Futter im Maul hatte. Der Speichel begann bereits zu fließen, wenn der Hund die Schritte des Laborassistenten hörte – für das Tier offensichtlich das Signal für Futter. Pawlows Interesse war geweckt, und er ging diesem Phänomen auf den Grund. Der Forscher implantierte Hunden eine Röhre an der Speicheldrüse, um den Speichelfluss zu messen. Ab diesem Zeitpunkt, kündigte er den Tieren mit einer Glocke das Futter an. Anfangs interessierten sich die Hunde nicht für das Erklingen der Glocke. Das ist wenig überraschend, denn es gibt keinerlei natürlichen Zusammenhang zwischen Glockenklang und Fressen. Doch nach einigen Malen hatte das Klingeln für die Tiere eine Bedeutung gewonnen und löste auch ohne Futter den Speichelfluss aus. Die Hunde hatten gelernt, dass sich im Anschluss an das Geräusch der Futternapf füllt. Und Pawlow hatte einen wichtigen Lernmechanismus entdeckt: die klassische Konditionierung.

Auch bei uns Menschen, tritt dieses Phänomen auf. Denken Sie mal an die typische Szene – Kinder und der Eiswagen. Wenn Kinder das Erklingen der Melodie des Eiswagens hören, sind sie schon ganz aufgeregt und wollen so schnell wie möglich nach draußen, um sich ein Eis kaufen zu können.

Die klassische Konditionierung, ist eine der Trainingsformen, die bei der Ressourcensicherung angewandt wird.

Gegenkonditionierung

Eine andere Methode der klassischen Konditionierung ist die Gegenkonditionierung. Dabei wird ein Reiz, der bisher eine unangenehme emotionale Reaktion auslöste, mit einem für den Hund sehr positiven Reiz (z.B. sehr beliebtes Futter, ein Spiel,…) belegt. Das heißt, der für den Hund bisher unangenehme Reiz, soll in Zukunft etwas Positives ankündigen und so auch die negativen Emotionen in Positive umgeändert werden. Damit man eine emotionale Reaktion längerfristig verändern kann, muss der unangenehme Reiz mit etwas kombiniert werden, das eine sehr angenehme Reaktion auslöst. Ein kleines Beispiel dazu: Luke ist ein 3 Jahre alter Schäfermischling. Immer wenn er von seinem Frauchen einen Knochen bekam, verteidigte er diesen dann auch gegen sie. Er knurrte, fletsche die Zähne und manchmal schnappte er sogar in ihre Richtung (ohne sie dabei zu verletzen). Dieses Verhalten zeigte er immer, wenn sich die Besitzerin ihm, während er seinen Knochen hatte, näherte. Das heißt, bis jetzt war sein Frauchen für ihn der unangenehme Reiz. Beim Training wurde mittels Gegenkonditionierung die negative Emotion, wenn sein Frauchen sich näherte, verändert, indem er jedes Mal, wenn sich seine Besitzerin ihm näherte noch ganz tolles Futter dazu bekam. Somit wurde die Annäherung seines Frauchens positiv verknüpft und die negative Emotion in eine positive geändert. Das Annähern, während er einen Knochen hatte, bedeutete für ihn jetzt nicht mehr in den Verteidigungsmodus zu gehen, sondern „Juhuuu noch mehr Futter“. 

Systematische Desensibilisierung

Dies ist eine weitere Methode der klassischen Konditionierung und ähnelt der Gegenkonditionierung. Bei der systematischen Desensibilisierung wird mit Berücksichtigung auf Abstand, Dauer und Ablenkungsgrad, an dem für den Hund unangenehmen Reiz gearbeitet. In einer kontrollierten Situation wird der Hund dem Reiz ausgesetzt und genau darauf geachtet, dass er keine sensibilisierte Reaktion zeigt und sich dabei an den Reiz in dieser Stärke gewöhnt. Wenn er sich in diesem Schwierigkeitsgrad an den Auslösereiz gewöhnt hat,


wird um einen Schwierigkeitsgrad erhöht (entweder Abstand, Dauer oder Ablenkungsgrad). Es darf immer nur eine Sache verändert werden! Also wenn ich meinen Abstand verringern möchte, muss ich aber mit der Dauer und der Ablenkung wieder dort anfangen, wo ich beim ersten Trainingsschritt angefangen habe. Möchte ich die Dauer verlängern, die der Hund dem Reiz ausgesetzt ist, muss ich meinen Abstand halten, den ich beim ersten Trainingsschritt hatte usw. Bei der systematischen Desensibilisierung wird in kleinsten Schritten gearbeitet, um den Hund die besten Chancen zu geben, nicht in sein altes Verhalten und in seine alten Emotionen zurückzuverfallen. Fast immer wird die systematische Desensibilisierung gemeinsam mit der Gegenkonditionierung angewandt. Durch die schrittweise Annäherung und die gleichzeitige Änderung der Emotionen, kann man ein optimales Trainingsergebnis erzielen, um das Verhalten des Hundes zu ändern. 

Operante Konditionierung

Wir Menschen streben stets danach, unser Wohlbefinden zu steigern und versuchen, Verhaltensweisen die unangenehme Dinge wie Schmerz und Unbehagen mit sich bringen zu vermeiden. Wenn eine Handlung von uns, eine negative Folge erzielt, so werden wir in Zukunft versuchen, diese Handlung zu meiden. Handlungen die eine positive und angenehme Folge haben, werden wir sie häufiger ausführen. Auch unsere Hunde lernen auf diese Weise, welches Verhalten welche Konsequenz mit sich bringt. Kurz gesagt, unsere Hunde lernen durch Erfolg und Irrtum.

Auf das Training bei Ressourcensicherung bezogen, kann man die operante Konditionierung zum Beispiel anwenden, wenn der Hund den Kopf von einem Knochen abwenden oder den Kopf heben soll. Er wird für das richtige Verhalten (den Kopf anheben/abwenden) bestätigt und wird, wenn das Training richtig durchgeführt wird, dieses Verhalten öfters zeigen. Die Anwendung der operanten Konditionierung hat viele Vorteile beim Training mit Hunden, die Ressourcen sichern. Zum einen ist das Risiko, die Reizschwelle des Hundes zu überschreiten geringer (es ist einfach zu erkennen, ob ein Hund den Kopf hebt/abwendet), zum anderen, wird die Situation für den Hund anders empfunden, wenn er etwas zum Denken bekommt. Anstatt in seine typische Abwehrreaktion zu verfallen, wirkt das Denken auf den Hund beruhigend und hat einen gewissen „Schnuller-Effekt“.

Skinners Lehren unterscheiden vier verschiedene "Konsequenzen", diese werden in zwei Möglichkeiten der Verstärkung, sowie in zwei Möglichkeiten der Bestrafung unterteilt. Ein fünfter Bestandteil ist der sogenannte Vorgang der Auslöschung (keine Konsequenz in Folge eines belanglosen Verhaltens).

 

- Verstärkung ist eine Konsequenz, die bewirkt, dass ein Verhalten häufiger auftritt
- Bestrafung ist eine Konsequenz, die bewirkt, dass ein Verhalten seltener auftritt
- Auslöschung bedeutet das Ausbleiben einer Konsequenz nach einem belanglosen Verhalten.

Positive Verstärkung

Bei der positiven Verstärkung erhält der Hund etwas Angenehmes, wie eine Belohnung oder sein liebstes Spielzeug. Erhält der Hund jedes Mal, wenn er etwas richtig gemacht hat von Ihnen etwas, das er als angenehm empfindet, wird er das gewünschte Verhalten öfters zeigen. Das Timing ist hierbei extrem wichtig! Es wird das Verhalten verstärkt, das der Hund gerade zeigt. Also wollen Sie ihn für ruhiges Sitzen belohnen und er springt in diesem Moment an Ihnen hoch, würde das Springen verstärkt und belohnt werden.

Beispiel für positive Verstärkung: Sie rufen Ihren Hund bei seinem Namen und er kommt sofort auf Sie zugelaufen. Sie loben ihn mit freundlicher Stimme und er bekommt ein Leckerli. Da dies ein positives Erlebnis für Ihren Hund ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass er wieder kommt, wenn Sie ihn das nächste Mal rufen.

Negative Verstärkung

Bei der negativen Verstärkung wird etwas entfernt, das der Hund als unangenehm empfindet.  Dies mag auf den ersten Blick harmlos klingen, basiert aber bei genauerem Betrachten auf einer unschönen Trainingsgrundlage:

Denn, um etwas Unangenehmes entfernen zu können, muss man den Hund zuerst in eine für ihn unangenehme Situation bringen - sonst funktioniert diese Methode nicht. Man versetzt den Hund also fortlaufend in Situationen, in welchen es ihm nicht richtig gut oder sogar schlecht geht - um dann das Gefühl von „Erleichterung“ als Belohnung zu nutzen.

Beispiel für negative Verstärkung: Nehmen wir auch hier das klassische „Sitz“ zur Verdeutlichung. Sie wollen Ihrem Hund das „Sitz“ beibringen. Früher wurde dies den Hunden mittels Druck auf die Kruppe beigebracht und der Hund so in das „Sitz“ gedrängt. Wenn Sie dies bei Ihrem Hund tun, wird er sich mit großer Wahrscheinlichkeit hinsetzen, um den unangenehmen Druck zu entweichen. Sobald der Hund sitzt nehmen Sie den Druck weg und der Hund verspürt Erleichterung

Positive Strafe

Bei der positiven Strafe erfährt Ihr Hund etwas, dass er als unangenehm oder als aversiv empfindet. Zum Beispiel wäre das ein heftiger Ruck an der Leine, den Ihr Hund als schmerzhaft empfinden wird. Oder wenn der Hund eine Rütteldose hingeworfen bekommt, vor dem Geräusch er sich schrecken wird. Hunde versuchen Strafen zu vermeiden und somit werden sie auch das auslösende Verhalten weniger zeigen. Es gibt viele Möglichkeiten, einen Hund so zu bestrafen, doch ist das wirklich Sinnvoll? Wollen Sie wirklich Ihrem Hund immer wieder Schmerzen oder Angst bereiten? Positive Strafe sollte auf keinen Fall eingesetzt werden, solange es möglich ist, über positive Verstärkung zu arbeiten. Aus ethischen Gründen muss die positive Strafe abgelehnt werden! Denn nicht korrekt ausgeführte positive Strafe kann und wird extrem nach hinten losgehen! Es kann sehr schnell zu Fehlverknüpfungen kommen. Wenn ein Hund einen Leinenruck bekommt, weil er an der Leine zieht und ein paar Meter entfernt gerade ein anderer Hund steht zu dem er rüber sieht, kann es schnell dazu kommen, dass der Hund den Anblick eines Artgenossen mit Schmerz verbindet! Nicht mal ein Profi schafft es, den Hund korrekt über diese Methode zu erziehen!

Negative Strafe

Bei der negativen Strafe wird dem Hund etwas Angenehmes weggenommen. Wenn Ihr Hund unerwünschtes Verhalten, wie beispielsweise Hochspringen zeigt, weil er gerade Aufmerksamkeit von Ihnen möchte und Sie drehen sich weg und gehen, hat dies für den Hund eine negative Konsequenz für sein Verhalten. Da sein Verhalten nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt hat, wird er (wenn er nie damit Erfolg hat) das Verhalten weniger zeigen oder sogar ganz einstellen, wenn es konsequent durchgezogen wird.

Beispiel für negative Strafe: Sie möchten von Ihrem Hund, dass er sich hinsetzt. Er steht vor Ihnen schon voller Vorfreude auf sein Leckerli. Sie sagen ihm das Signal und Ihr Hund ignoriert es und springt nur hin und her, weil er sein Leckerli haben möchte. Daraufhin drehen Sie sich weg und gehen und Ihr Hund bekommt das erhoffte Leckerli nicht.

Generalisierung

Nur weil ein Hund eine Übung in Ruhe und ohne Ablenkung zu Hause beherrscht, kann er diese noch lange nicht an einem anderen Ort. Ihr Hund muss lernen, dass ihre Signale überall gelten. Ebenfalls muss er lernen, diese auch unter Ablenkung auszuführen. Er muss das gegebene Signal generalisieren. Und das für jede einzelne Übung, die Sie ihm beibringen.

Eine Ablenkung können Kinder, Fahrräder, andere Menschen, Tiere, Gerüche, Geräusche, Futter, "Beute", Autos, einfach alles kann eine Ablenkung sein, was für einen Hund eben spannend oder beängstigend sein kann.  Ihr Hund steht im ständigen Zwiespalt. Setze ich mich oder laufe ich zu dem Baum dort? Es ist Ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Motivation Ihr Signal auszuführen größer ist, als jede Ablenkung, die um Sie herum ist. Fangen Sie jede neue Übung in einer ruhigen Umgebung ohne Ablenkung an. Idealerweise in der Wohnung oder im Haus. Steigern Sie die Ablenkung immer erst, wenn die Übung 100%ig klappt. Üben Sie dann in der Wohnung/im Haus mit leichter, dann mittlerer und dann starker Ablenkung. Wenn auch dies klappt, üben Sie draußen bei möglichst geringer Ablenkung und steigern Sie diese langsam, bis Ihr Hund jede Übung überall und unter starker Ablenkung ausführt. Wiederholen Sie die Übungen an vielen verschiedenen Orten. Zu Hause, auf der Straße, im Wald, auf der Wiese, im Restaurant etc.

Machen wir uns dieses Wissen zu Nutze, dann können wir erwünschte Verhaltensweisen trainieren und langfristig und nachhaltig Verhaltensänderungen erzielen